Mit Ehrgeiz bis zum Studium 1. Dezember 2017 - Archiv
Nach der Schule die erstbeste Ausbildung machen und gut ist’s? Die Geislinger Schüler Tobias Heindl und Luca Schanzel nehmen ihre Zukunft lieber selbst in die Hand.
Weiterlesen(Geislinger Zeitung, 27. November 2017)
Eltern machen sich viele Sorgen: Während der Schulzeit, dass die Noten der Kinder schlecht ausfallen. Und danach, dass aus dem Nachwuchs nichts G’scheites wird. Doch die Geschichte von Tobias Heindl und Luca Schanzel zeigt, dass nichts verloren geht, wenn der Weg von der Schule ins Berufsleben nicht geradlinig verläuft. Dass Neustarts und Abzweigungen dazugehören dürfen, um die eigenen Interessen herauszufinden. Und dass es auf die richtige Einstellung ankommt.
Tobias Heindl aus Lonsee war lange einer von denen, die ihren Eltern Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Lust auf Lernen hatte er in der Realschule in Ulm nicht so richtig; in der neunten Klasse ging er mit eher schlechten Noten ab auf die Gewerbliche Schule in Geislingen und machte den Hauptschulabschluss im damals noch sogenannten Berufsvorbereitungsjahr. Doch da lief es schon besser: Als Klassenbester schloss er ab, und in der Ausbildung zum Zimmermann entschied er sich dann, „richtig Vollgas“ zu geben, wie er sagt. Mit der Note 2,1 schloss er seine Gesellenprüfung ab.
Dass Tobias damit nach baden-württembergischer Regelung die mittlere Reife erworben hatte, ermöglichte ihm ganz neue Wege. Der heute 21-Jährige arbeitete noch ein halbes Jahr bei seinem Ausbildungsbetrieb in Laichingen, kündigte dann aber und reiste erstmal nach Australien. „Ich wusste, ich will auf jeden Fall die Fachhochschulreife machen“, erzählt er. Weiterarbeiten als Zimmermann, das kam für ihn nicht infrage: „Für die Leistung, die man da bringt, verdient man zu wenig Geld“, sagt er. „Da kannst du jeden Tag vom Gerüst fallen.“
Seit September ist er am Berufskolleg der Gewerblichen Schule in Geislingen. Dort hat er den Eislinger Luca Schanzel getroffen, der sich wie er innerhalb eines Jahres auf die Fachhochschulreife vorbereitet.
Auch der 20-jährige Luca hat – nach dem Realschulabschluss in Eislingen – eine Ausbildung gemacht: zum Fertigungsmechaniker. Weil es in der Lehrzeit so gut lief, absolvierte er parallel schon eine Weiterbildung zum Elektroniker für festgelegte Tätigkeiten. Auch Luca war in der Schule „eher unmotiviert“, wie er sagt, doch bei der Zwischenprüfung in der Ausbildung merkte er, „dass es ganz gut“ lief – und noch besser, wenn er sich reinhängte.
Die Krönung seiner Anstrengungen: Der Eislinger schloss seine Ausbildung als Landesbester seines Berufs ab. Wenn er von der feierlichen Bestenehrung der IHK Baden-Württemberg vor Kurzem in Rottweil erzählt, dann strahlt er übers ganze Gesicht: „Das hat schon was, so eine Veranstaltung.“ Für Luca war klar, dass er „mit solchen Noten“ mit der Schule weitermacht, auch wenn sein Ausbildungsbetrieb in Uhingen ihm eine Stelle und die Fortbildung zum Meister angeboten hatte. „Ich hab’ keine Lust, 30, 40 Jahre lang dieselbe Maschine zusammenzuschrauben, sondern möchte Wirtschaftsingenieurwesen studieren – damit habe ich mehr Möglichkeiten.“ Er hat bereits Angebote von Firmen für ein duales Studium auf dem Tisch liegen. Auch Tobias weiß schon, wie es nach der Schule weitergehen soll: „Ich habe vor, Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Bau und Immobilien zu studieren.“ Beide können sich gut vorstellen, später für den Job auch weiter wegzugehen; Tobias hat sich schon über Auslandssemester in Kanada informiert.
Lehrerin Sabine Kern-Vonier freut sich über die Erfolge ihrer Schüler, die auch als IHK-Ausbildungsbotschafter unterwegs waren: „Es ist toll, was sie geschafft haben.“ Für Schulleiterin Ilse Messerschmid zeigen die beiden die Durchlässigkeit des deutschen Schulsystems: „Es ist viel möglich, wenn der Wille da ist und die Motivation.“ Gerade die Schüler der Berufsvorbereitungsklassen würden schnell als Loser abgestempelt, berichtet Sabine Kern-Vonier. Deshalb sei es um so wichtiger, die Schüler im Unterricht dort abzuholen, wo sie stünden, und ihnen den Glauben an sie zu vermitteln.
Tobias hatte in seinem großen Bruder jemanden, der ihn bekräftigte, es mit dem Berufskolleg zu versuchen. „Er hat das selber so gemacht, und er hat mir immer gesagt, dass ich das packe – das war für mich schon Motivation.“ Nie habe er gedacht, dass er mal studieren würde, meint der Lonseer lächelnd: „Aber man muss es halt selber merken: Wenn man gute Jobs will, dann muss man was machen.“ Luca erzählt, dass er sich von Biografien erfolgreicher Unternehmer inspirieren lässt: „Ich halte zwar nichts davon, was Donald Trump politisch macht, aber sein Ehrgeiz ist schon außergewöhnlich“, sagt er.
Tobias und Luca haben erlebt, dass viele ihrer Klassenkameraden ihre Ausbildung abgebrochen haben. Viele wüssten halt nicht wirklich, was sie machen wollen, meint Tobias und empfiehlt deshalb jedem, Praktika zu machen. „Man braucht ein klares Ziel“, ergänzt Luca. Das Berufskolleg erleben beide als sehr anspruchsvoll; Fehlzeiten könne man sich nicht erlauben, meint Luca. Was ihn und Tobias beruhigt: Ihre Ausbildung haben sie in der Tasche – egal, was noch kommt.